Noam Chomsky: Wer regiert die Welt?

Bereits die ersten Informatik-Studenten in Deutschland in den siebziger und achtziger Jahren lernten die schon nach ihm benannten Typen von Computersprachen kennen: Noam Chomsky, Professor am weltweit renommierten Massachusetts Institut of Technology in Cambridge, Massachusetts, USA und interdisziplinäre Geistesgröße vom Range eines Albert Einstein. Wie dieser hat er sich im hohen Alter erneut Gedanken über den Zustand unseres blauen Planeten gemacht, den er durch wachsende Atomkriegsgefahr und Zerstörung der Umweltgrundlagen durch ein von den USA beherrschtes neoliberales Wirtschaftssystem massiv gefährdet sieht. In seinem jüngsten Buch fragt er: Wer ist dafür verantwortlich, wer regiert die Welt?

Chomsky befasst sich in seinem neuen Buch nicht nur mit den unseren Planeten plagenden aktuellen Konflikten und ihren Ursachen, sondern auch intensiv mit den praktischen rechts-  und wirtschaftsphilosophischen Grundlagen des heutigen, gefährlichen Zustandes unserer Welt. Er geht dabei bis auf die für das angloamerikanische Recht bis heute grundlegende Magna Charta von 1215 zurück. Er weist in überaus bemerkenswerter Weise darauf hin, dass sie aus zwei Teilen bestand: Der Magna Charta Libertatum, die Rechte gegenüber dem Feudalherren, dem König, regelt, nämlich die die Herrschaft des Feudalherrn ablösende Herrschaft des Rechts, rule of law, einführte. Daneben gab es aber auch die Charta de Foresta (1225) , die Waldcharta, die das Gemeineigentum, commons (deutsch: Allmende) zum Gebrauch aller regelte, ähnlich wie dies heute vor allem in indigenen Gemeinschaften immer noch funktioniert. Er schlägt den Bogen zur heutigen Zerstörung der Natur durch Finanzialisierung und Privatisierung aller Resourcen im Gegensatz auch zu den Grundsätzen der Charta de Foresta, die in Vergessenheit geraten ist.

Mindestens genauso bemerkenswert ist seine belegte Darstellung, dass sowohl Adam Smith als auch David Ricardo als Begründer modernen, klassischen ökonomischen Denkens sich beide darüber im Klaren waren, dass ein nackter internationalisierter Kapitalismus, in der der Kapitalist keine Rücksicht mehr auf die eigene Sozialstruktur nimmt und sich rein am Profit orientiert und in fremde Länder outsourced, für die allgemeine Bevölkerung ins Verderben führt.

<< Die post-goldende-Zeitalter Ökonomie verordnet den Albtraum, der von den klassischen Ökonomen Adam Smith und David Ricardo vorhergesagt wurde. In den vergangenen dreißig Jahren haben die "Herren der Menschheit", wie sie Smith nennt, jegliche gefühlsmäßige Teilnahme an der Wohlfahrt ihrer eigenen Gemeinwesen aufgegeben. Sie haben sich statt dessen auf kurzfristige Gewinne und riesige Boni konzentriert, und ihr Land der Verdammnis preisgegeben. >>  (Seite 64)

<< Wenn wir fragen, "Wer regiert die Welt?", gehen wir üblicherweise von der Standardannahme aus, dass die Akteure in der Welt die Staaten sind, vor allem die großen Mächte, und wir betrachten ihre Entscheidungen und ihre Beziehungen untereinander. Aber wir tun gut daran, im Gedächtnis zu behalten, dass diese abstrakte Betrachtungsebene in die Irre führen kann. ...

... Wir können kein realistisches Verständnis davon entwickeln, wer die Welt regiert, wenn wir die "Herren der Menschheit", wie sie Adam Smith nennt, ignorieren: Zu seiner Zeit waren dies die Händler und Produzenten Englands, in unserer Zeit sind es multinationale Konglomerate, riesige Finanzinstitutionen, Handelsimperien und so weiter. Mit Smith ist es darüberhinaus klug, der "abscheulichen Maxime" Beachtung zu schenken, der die "Herren der Menschheit" folgen: "Alles für uns und nichts für andere Leute." ... >> (Seite 239)

Link zu Noam Chomskys Buch "Who Rules the World?" (in Englisch)

Link zur deutschen Ausgabe (ist wohl für Herbst geplant)

Link zu Noam Chomskys Webseite

 

 

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